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Eine Familienradreise durch Südamerika

...Auf Vieracht...

...Die schönsten Dinge kosten Mühe...
Deswegen sind wir den ersten Tag langsam angegangen und hielten vor dem letzten Dorf  des Huascarán National Park für eine Nacht. Wir nutzten die Chance noch einmal unsere Vorräte aufzufüllen.
Als ich am nächsten Tag das Frühstück bezahlen wollte, bemerkte ich das wir nur noch 100 soles (1€ = 3,55 soles) im Geldbeutel hatten. Minus 20 Soles Frühstück,  30 Soles für das Zimmer, 10 Soles Lebensmittel, 2 Soles Benzin für den Kocher und kein Geldautomat in Cartac, ergab das noch 38 Soles.
Aber Geld bringt einem hoch oben in den Bergen eh nichts und so ziehen wir mit den 38 Soles in der Tasche los.
Ca. 7 km nach Cartac bogen wir in eine ziemlich üble Schotterpiste ab. Unsere bikes, so schwer, dass sie in dem Schotter regelrecht versumpften. Bei jedem Antreten drehten die Räder durch.
Die ersten Kilometer zogen sich zu unendlichen. Es fühlte sich an, als würde die Sonne sich im Schnelllauf über unseren Köpfen hinweg ziehen. Erschöpft überlegten wir uns umzudrehen und doch über die Hauptstraße PE3N zu fahren. Aber der Reiz und Ehrgeiz über den Abra Huarapasca zu radeln rebellierte...
Wir schoben und treteten  weitere 11 km und 480 Höhenmeter über die Piste, bis wir völlig erschöpft auf 4058 müNN unser Zelt hinter einem kleinen Hügel aufschlugen.
Die Luft peitschte durch die Nacht, die Sterne leuchteten und voller Müdigkeit schliefen wir gleich ein....
Am Morgen strahlte die Sonne vor strahlendblauem Himmel und erleuchtete die goldockerne Steppenwiese. Etwas unmotiviert der Straße wegen, genossen wir lange die Umgebung.
Gegen Mittag radelten wir dem National Park entgegen.
Was wir bis zu Ankunft nicht wussten, war dass es 10 Soles pro Erwachsener und 3 Soles pro Kind ab 5 Jahren Durchgangsgebühr kostetet. Jamun winkten wir natürlich als 4 jährigen durch, denn der Weg zum nächsten Geldautomat konnte noch lang sein.
Unser Portmonaie schrumpfte somit auf 18 Soles. Aber in den Bergen braucht man ja kein Geld....
Eine wunderschöne Landschaft öffnete sich vor unseren Augen.
Zur linken Seite durchzog ein in der Landschaft erscheinender, kontrastreicher, kalt und türkisfarben schillernder Quellbach die goldene Steppe. An manchen Stellen sah man sogar, wie das Agua gasificada (Sodawasser) aus der Erde sprudelte.
Auf der rechten Seite, türmten sich eine der seltensten Pflanzen der Erde, die Puya Raimondi auf.
Sie stammt aus der Familie der Bromelien und können bis zu 10 m hoch und  und 100 Jahren alt werden. Im Hintergrund blinzelten die Gletscherspitzen des Berges Huarapasca, mit einer stolzen Höhe von 5418m. Die Gletschergrenze in Peru beginnt erst ab ca. 5000m ü NN.
Diesmal war es nicht die schwer zu fahrene Straße, die uns langsam vorankommen lies, sondern die unfassbar schöne Natur, welche uns stetig zu einer Pause brachte.
....die Höhenluft war natürlich auch etwas daran beteiligt...
Eine verträumte Pause, wurde plötzlich durch ein anhaltendes Polizei Auto gestört.
Freundlich fragten sie nach, ob wir müde seien, sie würden uns ans andere Ende des Parkes fahren.
Einerseits, natürlich ein nettes Angebot, denn die steinige und mit schlaglöcher übersäte Straße wurde nicht besser, die Berge immer höher und die Luft damit immer dünner.
Aber, es würde auch bedeuten, dass wir diese überwältigende Landschaft nicht mehr so intensiv in uns aufnehmen könnten.
Die Polizisten wunderten sich, über unsere Überlegung und die Antwort: nein danke, erstmal nicht!
Zum Glück hatten wir uns so entschieden. Kurze Zeit später passierten wir eine azurblaue ca. 5 m tiefe Laguna, auf deren Grund man jeden einzelnen Kieselstein und jeden kleinsten Wurzelstrang anwohnender Pflanzen erkennen konnte.
Kurz vor Sonnenuntergang fuhr die besorgte Polizei ein weiteres Mal an uns vorbei und bot uns an zu fahren. Die Kraft zerrte an uns und so stimmte ich ein, uns ein Stück hochzufahren, jedoch nur bis zur Abzweigung zum Pass. Insgesamt chauffierten Sie uns knapp 6 km und ca. 400 Höhenmeter hinauf
zur Abzweigung. Bei unseren Bedingungen, bedeutete das schon einen halben Tag.


Bei der Abzweigung radelten wir ein Stück hinauf auf 4814 m ü NN - Radeln auf Mont Blanc Niveau - dann schlängelte sich die Piste hinunter. Nach etwa 5 km Abfahrt und der nächsten Kurve sahen wir, wie sich die Piste auf der nächsten Seite in langem Zick Zack wieder hocharbeitete.
Zwischen diesen beiden Gipfeln fanden wir am untersten Punkt auf 4665 m ü NN, in einer windgeschützten Mulde, unterhalb des Gletscherbezogenen Berges Huarapasca einen Schlafplatz. Unter der Milchstraße und Milliarden von hellleuchtenden Sternen, genossen wir unser Andenmahl und verkrochen uns gleich danach bei eisiger Kälte ins Zelt.
Früh morgens grüßte uns die Sonne und lies den Frost schmelzen.
Torsten bemerkte, dass wir unsere zweite Benzinflasche unterwegs verloren hatten. Er schwang sich auf sein Rad, radelte in anstrengender Höhe zurück und fand sie glücklicherweise kurz vor dem zuletztbefahrenen Gipfel wieder. Wir füllten unsere Flaschen mit Tee gegen die Höhenkrankheit und nahmen den nächsten ersichtlichen Gipfel in Angriff.
Aus jeder Kurve änderte sich der Anblick der Anden.
Durch das goldene Tal durchzog sich nun ein, vom Gestein rotverfärbtes  Bächlein. In der sumpfigen Steppe lagen dicht an dicht kreisrunde, saftig grüne Grasteppiche, unterbrochen von kristallblauen Lagunen. Im Hintergrund hoben sich die rot, ocker, grau und weiß gefärbten hiesigen Berge, wie eine aufgebrochene Feige hervor.
Nach harter, luftschnappender Arbeit, erreichten wir den gegenüberliegenden Gipfel auf 4847 m ü NN. Überglücklich schossen wir bei eisig kaltem Wind, stolz die Gipfelfotos, tranken Tee und radelten durch mehrere Kurven über einen Sattel ein Stück nach unten.
Dann erblickten wir den nächsten Anstieg.
Ein bisschen enttäuscht sammelten wir ein weiteres Mal unsere Kräfte. Wir betrachteten, wie eine in kontrastfarben gekleidete Andenbewohnerin, ihre Schweine vor sich hertrieb und nebenbei ein Bündel Schafshaare von Hand zu Wolle auf ein Stöckchen spindelte.
Unglaublich, dass auf dieser Höhe noch Menschen leben!
Sie wohnen in kleinen Steinhäuser, die kaum größer als unser Zelt sind und besitzen wohl kaum mehr, als ein paar Schafe, Schweine und Kühe...

Aus dem Nichts durchbrach die Idylle, ein vorbeifahrender Jepp. Er war genauso verwundert uns zu sehen, wie wir ihn.  Freundlich und Werbereif reichte er uns aus dem Fenster 2 Gatorade Flaschen.
Ein kurzes Fotoshooting und weiter geht's.

Kurzatmig erkämpften wir uns den nächsten Gipfel, der noch höher, als die anderen beiden waren. Wir befanden uns nun laut GPS Gerät auf  4885 m ü NN.  Zu müde, erschöpft, und durchfroren brachten wir diesmal kein Gipfelfoto mehr zustande. Das musste nun der Abra Huarapasca gewesen sein! (Leider ist hier keiner der Pässe beschildert)
Danach rollten wir über den Abra Yanashalla gute 30 km, auf eine Höhe von 3500 müNN nach unten!
Unser starker kleiner Mann, zeigte sich auf dem Weg sehr tapfer und wies zum Glück keinerlei Probleme der Höhe wegen auf! Im Gegenteil, voller Freude Rutsche und tanzte er über einen Eisbrocken. Bei der Abfahrt sang er lachend und immer wieder:
"Wohoooo, was für ein Abenteuer!"


Zu unserer Geldgeschichte:
Über weitere 175 km, passierten wir über unzählige Berge, etliche kleine Dörfer. Die aus Lehm erbauten Häuser verschmelzten mit der Natur. Von weitem waren nur die, wegen der kürzlichen Wahlen, von Parteien werbenden, bemalten Häuser zu erkennen.
Selbst in größeren Orten gab es keinen Geldautomat. Der einzigste in der kleinen Stadt  'La Unión' war außer Betrieb.
Unser Weg wurde zu einem Projekt. Mit nichtmal weniger als  6 € für 3 Personen, reisten wir eine Woche lang.
Auf den kleinen Dorfmärkten konnten wir uns gut mit Quinoa, Eier, Obst und etwas
selbstangebautem Gemüse versorgen. Mit Zelten und selber kochen kamen wir erstaunlich gut hin.
Nach 7 Tagen erreichten wir mit 20 centavos in der Tasche die größere Stadt Huánuco mit allen Versorgungsmöglichkeiten.
Was für uns ein Projekt wurde, ist leider für die meisten der Menschen hier pures alltägliches Leben...



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