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Eine Familienradreise durch Südamerika

...Bolivien - Schotter, Salz & Kekse...

Gesamtkilometer:         6.738 km
Gesamthöhenmeter:  82.956 hm

Bienvenidos in einem Land, welches uns schon gleich von Anfang an überraschte...
Die Grenze überschritten wir gemeinsam mit einem Radreise Päarchen aus der Schweiz. Definitiv einer der unvergesslichsten, längsten und lustigsten Grenzüberschreitungen.
Bei einem eigentlich ganz unspektakulären Abstieg vom Fahrrad, flog Andrea auf das Vorderrad ihres Freundes. Es eine "Acht" zu nennen, wäre zu untertrieben gewesen. Eine acht mit Doppel Looping, hätte es schon eher getroffen.
Mit bloßem zentrieren, war das Problem nicht zu beheben, weshalb die Männer sich ein Mototaxi schnappten und zurück zum letzten Dorf fuhren, um eine "Rad-Werkstatt" zu finden.
Auf brutalste Weise wurde das Rad auf peruanischen Standard mit einem Vorschlaghammer wieder "rund" geklopft und später in einem Motorrad-Zentrierständer zentriert.


Immerhin hat es gereicht, das Rad ohne Bremsen wieder ein zu bauen und mit einem zusätzlichen Platten über die bolivianische Grenze zu schieben.
Dort angekommen, holten wir uns erstmal einen Einreisestempel. Trotz Diskutiererei, zwecks Radreise und Kind, bekamen wir nur 30 Tage Visum. Der Zöllner betonte jedoch, man könne in jeder größeren Stadt das Visum bis auf 90 Tage kostenlos verlängern. Eigentlich kein Stress, aber für uns bedeutete dies, dasd wir auf jeden Fall eine größere Stadt anfahren müssen....
In aller Ruhe wurde Michele's Rad noch einmal für die Weiterfahrt, vor dem in englisch beschrifteten Klo präpariert.


auf Grund von Erzählungen haben wir alle schon mit dem schlimmsten in Bolivien gerechnet. Doch in Grenznähe wurden wir schon zum ersten Mal  von der Architektur überrascht. Jedes Haus wurde hier mit einem Dach versehen! Manche hatten sogar Ziegel, Dachgaupen, oder sogar kleine Erker.
In dem touristischen kleinen Städtchen Copacabana am Lago Titicaca sammelten wir mit Ruhe und mega Popcorn für ein paar Tage neue Kräfte, bevor es weitergeht. Denn auf uns wartete eine lange Etappe.


Obwohl Peru landschaftlich einiges zu bieten hatte und für uns nur schwer zu toppen war, konnte es im Bezug auf den Lago Titicaca, sich hinten anstellen.
Auf der bolivianischen Seite, schimmerte der See schon fast in karibischen türkis Tönen.
Mit einer Fähre, die in leichter Schräglage sogar ganze Busse übersetzte, überquerten wir die Engstelle, an der der Puma den Hasen jagt... (wenn man die Karte auf den Kopf stellt).


Lange genossen wir noch die schöne Aussicht auf den See, bis sich nachmittags plötzlich ein Unwetter über uns aufbaute und Hagelkörner auf uns runter prasselten. Nachdem das Schlimmste vorbei gezogen war, fuhren wir weiter auf der Suche nach einem Schlafplatz.
Leider war der Titicacasee zum Zelten zu dicht besiedelt, die Hotels entweder leer und verlassen, oder sie sprengten erheblich unser Budget.
Als sich der Himmel schon rot verfärbte, kam uns Gustavo, ein Radtourero aus Kolumbien, der ebenfalls auf der Suche nach einem Schlafplatz war, entgegen. Zusammen schlugen wir bei Sonnenuntergang unsere Zelte hinter einer Kirche Mitten im Dorf auf. Hier muss es ja schließlich sicher sein ;)
Am nächsten  Morgen grüßten uns die Bewohner freundlich. Manche hielten für einen kleinen Smalltalk, als wäre es das normalste hier zu zelten.
20 km genossen wir noch einmal die gut asphaltierte Straße, danach bogen wir in eine Piste aus Schotter und Sand.
Nach 5 km fragte mich Jamun, warum wir eigentlich hier lang fahren und nach jedem gefühlten Meter, wie lange es noch dauert bis wir wieder auf Asphalt fahren.
Unser Plan war es La Paz auszulassen und dass die Straße erst mal so bleibt, haben wir ihm dezent verschwiegen ;)
In dem kleinen sympathischen Dörfchen Pucarani, legten wir unsere erste Pause ein. Es war Sonntag und alle Bewohner versammelten sich auf der Plaza, tranken Bier, kauten Coca-Blätter und hörten vom Bass überschlagene Musik.
Eine nette alte Dame baute extra für uns eine Art Sonnenschirm auf, während ihr Mann uns erzählte,  dass es noch ca. 50 Kilometer bis zum nächst größeren Ort Viacha seien und man mit dem Fahrrad etwa 1 Stunde bräuchte. Er fügte noch hinzu, die Straße sei nach Laja viel besser "mucho mejor!".
Na dann mal los - vamonos!
Kurz vor Laja kreuzten wir eine Asphaltstraße, 5 Meter purer Genuß, dann holperten wir in das verschlafene Örtchen und wieder hinaus in die 'mucho mejor' Straße.
15 km steinharter Waschbrett Belag! Teilweise suchten wir am Straßenrand wieder nach Sand und Schotter, denn im Vergleich dazu, war es schon fast gemütlich.
Mittlerweile fragte auch ich mich, warum wir eigentlich hier lang fahren.
Die Antwort bekam ich kurz vor Sonnenuntergang, als wir unser Zelt auf dem goldenen Altiplano aufstellten, die schneebedeckten Gipfel der Cordillera Real von der Abendsonne rot erleuchteten und dazwischen die Lichter von El Alto und la Paz zu funkeln begannen.


Am nächsten morgen jedoch überdachten wir nochmals unsere Route neu. Unser Lateinamerika Bike Buch leitete die Tour mit folgenden Sätzen ein:  " Dies ist eine harte Hinterland-Tour für Abenteurer! Wer sie fahren will, sollte unbedingt genügend Lebensmittel, Trinkwasser und eine gute topographische Karte ( russische Fliegerkarte ) mitführen! "
Natürlich haben wir für unser GPS Gerät keine Bolivien Karte und die Fliegerkarte ist eine einfachste Straßenkarte.


Also umfuhren wir noch weiter La Paz und stießen am nächsten Tag, zu Jamun's Freude, auf Asphalt der Ruta National 1. Hier rollten zwar unsere Räder, aber dafür lag jeder Kilometer entweder ein geplatzter Autoreifen, oder ein toter Hund im Weg...
Nach 60 Kilometer bogen wir gerne wieder von der guten Straße ab. In Patacamaya füllten wir unsere Vorräte auf und reparierten meinen ersten Platten! Danke an Schwalbe und ein noch größeres Danke an unsere Cikago Bude, die uns den Tag mit ihrer Nachricht auf dem Felgen erheiterte!


Die ersten 40 Kilometer strampelten wir über den Altiplano wie wir ihn schon von den letzten 600 km kannten. Beinahe fing er sogar an uns zu langweilen, als plötzlich die goldene Oberfläche aufbrach und rotleuchtende Schluchten vor uns lagen. Ich könnte jetzt hier wieder Hesse mit aufgebrochene Feigen zitieren, aber ehrlich gesagt, dachte ich maximal an Spätzle mit Rotweinsoße. Ich merkte wie unser verwöhnter europäischer Magen mittlerweile die Vielfalt des Essens vermisste...
Die schöne Landschaft holte mich aus meinen schlemmer -Träumen wieder raus.


Fließende Felsformationen und rötlich sandig ausgetrocknete Flüsse, die sich über Weiten dahin zogen, kamen zum Vorschein.


Die aus Erde gebauten Häuschen mit Strohdächer verschmelzten mit der Landschaft. Überall grasten wilde Lamas, Vicuñas, Emus und Flamingos stolzierten in den Überbleibsel der Flüsse.
Jamun genoss die Strecke! Hier konnte er jeden Tag alleine fahren. Am meisten freute er sich, wenn er wegen den Lamas bremsen, oder sogar anhalten musste, weil sie sich mitten auf der Straße ausruhten.





In Curahuara de Carangas legten wir eine Mittagspause ein. Bei einer alten Dame aßen wir an der Plaza ein Almuerzo. Als wir es ohne Fleisch und Pollo bestellten, fing die Dame herzhaft an zu lachen. Sie fand es äußerst amüsant und erzählte es jedem kichernd, der ebenfalls an den Stand kam.
Während wir dort saßen, kam plötzlich ein Kamera Team auf uns zu, welches gerade eine Reportage über die dort vorhandene sixtinische Kapelle, die auf das Jahr 1606 zurückgeht, drehte und fragte uns ganz aufgeregt, ob wir extra wegen der Kirche auf dem Fahrrad hier her reisten??
Unsere Antwort enttäuschte sie etwas und doch bekamen unsere Räder nach den Interviews noch eine Nahaufnahme.


Kurz nach Ortsausgang wurden wir von der Landschaft total überwältigt. Ein Traum jedes Boulderer und zugleich ein Alptraum, wenn das Equipment kein Platz auf dem Rad hatte!


Skurrile Felsformationen, freistehende Säulen und löchrige Felsbrocken , die wie es scheint, ihre eigene Geschichten erzählen. Eine Gegend, in der es völlig gleich ist, dass man wegen den schlechten Wegverhältnissen nur langsam voran kommt. Hier steigt man extra vom Sattel!


Nach Turco wurden wir erneut von diesem Land überrascht. Die neu geteerte Strasse nach Ancavari, wurde in adäquaten Abständen mit Mülltonnen versehen.


Ein Land, welches von hinten aufholt und nicht wie wir es von Peru kennen, eher nur um touristische Zentren. Auch das von Morales hervorgebrachte Brunnenbohr - Projekt " Mi Agua ",  scheint zu greifen. In den meisten Ortskernen gibt es ein für alle zugänglichen Wasserhahn mit Trinkwasser. Nur wenige müssen noch ihr Wasser aus einer Art Brunnen holen.


Ein beeindruckendes Dritte-Welt-Land, welches sogar als erstes Land, Mc Donalds beukotierte, bis rote Zahlen geschrieben wurden und der Konzern sich zurückzog! Davon können wir nur lernen...

Auf dem Weg nach Sabaya, der Eingang der Salzwüste Salar de Coipasa, hielt ein Auto neben uns und schenkte uns Orangen und Joghurtgetränke für den Weg. Sie boten auch an, uns bis nach Sabaya mitzunehmen!
Unsere Vorurteile, welche sich von den Erzählungen vieler anderen Touristen eingeschlichen haben, entsprachen somit in keinster Weiße der Realität!

In Sabaya gingen wir nochmal auf Proviant-Jagd, was bedeutet, alle Tiendas abklappern, suchen und hoffen was anderes außer Kekse zu finden. Was leider ziemlich schwer ist.


Dafür fanden wir glücklicherweise zum ersten mal seit Monaten wieder frische Brötchen, die direkt aus dem Ofen kamen :)
Als wir auf den Hostel - Besitzer warteten, trafen wir auf einen belgischen Abenteurer, der versucht beide Salare, ohne jeglichen zivilistischen Kontakt, mit einer Wasserversorgung von 29 Liter und 30 Power-Bar Riegeln, innerhalb von 6 Tagen zu Fuß zu durchqueren.
 Kurz darauf traf noch ein pensioniertes Mitte der 60er Jahre altes Paar aus Holland auf ihren Rädern ein. Gemeinsam aßen wir zu Abend und checkten in das Hostel ein.
Jeder mit der gleichen Mission, beide Salare zu durchqueren, verließen wir am nächsten morgen, jeder nach seinem Tempo, Sabaya.

Unglaublich, vor mehr als 13 Jahren, als ich zum ersten Mal die DVD von Manu Chao - Babylon en Guagua sah, träumte ich davon an diesen Ort zu reisen - und nun lag er ganz nah vor mir!!


Zuerst radelten wir über Sand, dann kam die erste Salzschicht. Später vermischte sich das Salz mit Wasser und wurde zu einer gerade noch fahrbaren klebrigen Knetmasse. Dann steinig und endlich wurde der Salar so wie wir ihn uns vorstellten! Eine pure Salzpiste!


Singend, flippend und den Tränen fast nahe radelten wir Kreuz und quer. Und weil es so schön war und es sich schnell radeln ließ, zelteten wir eine Nacht auf einer Insel auf der Salar de Coipasa, auf der bis zu 3 Meter hohe Kakteen wuchsen und über der Milliarden von Sternen leuchteten.


Am nächsten Vormittag begegneten wir den beiden Holländer auf der Salar und radelten gemeinsam weiter. Nach etwa 22 km endete die Euphorie und der Spaß! Die Salzwüste bildete riesige, harte und aufgeplatzte Waben, die ein Fahren kaum ermöglichte. Später wurden sie nass und matschig und wir versanken bis zu den knöcheln darin.



Nach etlichen geschoben Meter, wurde der Untergrund pudrig krustig. Es fühlte sich an als würden wir über Schweizer Fastnachts-Chüechli laufen...ohhh, was würden wir jetzt dafür geben....

Die Sonne brezelte auf uns nieder und schlimmer noch - unser Wasser wurde knapp. Schließlich dachten wir ja, wir würden die Coipasa mit ihren 87 Kilometer an einem Tag schaffen. Gemeinsam quälten und schoben wir die Räder voller Kraft aus der Salar .
Nach langem, erreichten wir endlich wieder eine fahrbare Piste. Doch zum finalen 'Radlertag' , blies uns plötzlich ein heftiger und eisig kalter Wind ins Gesicht, der uns erneut von den Räder zwang.
Sobald er aufhörte, fanden wir einen kleinen Fluss, stellten unsere Zelte direkt daneben auf, filterten Wasser und kochten Nudeln.


Diesmal war das Essen ziemlich versalzen, aber der enorme Hunger, ließ keine zeit für Hinterfragungen. Jamun, trank ein Schluck von dem gefilterten Wasser und spuckte es im nächsten Atemzug wieder aus. Ich roch daran und fand, daß es ein bißchen fischig roch, weshalb ich Tee daraus machte. Das holländische Päarchen und Jamun schliefen bald ganz erschöpft ein. Torsten und ich  warteten noch lange bis das Wasser für den Tee  kochte. Ungeduldig nahmen wir es irgendwann vom Kocher. Beim ersten Schluck, wusste ich warum Jamun das Wasser sofort wieder ausspuckte und - warum es solange dauerte bis es kochte  - das Wasser im Fluss war Salzwasser! Hätten wir uns vielleicht auch denken können....
Ein Traum nach dem anderen jagte die Nacht von glasklarem Wasser. . .
Gleich nach Sonnenaufgang schnappten Abe, Torsten und Jamun die Räder und fuhren in den nächsten Ort um Süßwasser aufzufüllen bzw. zu kaufen. Noch nie hat Wasser so gut geschmeckt! Und dazu mal wieder was gelernt : in einer Salzwüste sollte man das Wasser vorher probieren, bevor man es filtert!

Von den 34 kilometer, die zwischen den beiden Salaren lagen, verbrachten wir ca. 7 Kilometer auf dem Sattel. Die restlichen Kilometer schoben wir unsere Gefährten durch tiefen Sand.


Die einzigste willkommene Abwechslung zwischen Sand und Dornensträucher, waren die entspannten Lamas



In dem halb verlassenen Dorf Challacollo hofften wir ein paar Lebensmittel zu finden.


Es gab ein Tienda, in deren verstaubten Regalen tatsächlich 4 Packungen Popcorn, Kekse, Kaugummis und 3 Schokoriegel zu finden waren.
Sich nur von Süßkram zu ernähren - eigentlich ein  Traum jedes Kindes...

Noch einmal zelteten wir am Rand der nächsten und weltweit grössten Salzwüste, der Salar de Uyuni.


Hier trafen wir am nächsten morgen wieder auf die beiden Holländer, Scott und Sue, zwei Weltumradler aus den Staaten. 



In einer Karawane rollten wir über den puren Salz und verbrachten eine Nacht auf der Isla Incahuasi.
Jetzt wusste ich auch warum ich solange auf diesen Traum warten musste. Hätte ich das Land früher bereist, hätte ich die Salzwüste ganz bestimmt nicht so intensiv wie mit dem Rad erlebt!




Hier rollte es sich wie über Asphalt! Einfach herrlich....

Nach 16 Radtage in Folge, knapp 900 Kilometer - meistens Sand und Schotter und ca. 50 Packungen Kekse erreichten wir Uyuni. Hier wurden erstmal unsere Räder vom Salz befreit...


...das Visum verlängert, und am Markt die Vitamin - Defizite aufgeholt...



....denn schließlich brauchen wir neue Energie für unser nächstes Bolivien - Chile - Bike - Highlight , die Lagunenroute!

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